Sommerkinder

Sommerkinder

Unsere Kinder sind eingeschlafen. In unserem großen Bett unter dem Sternenhimmel dieser lauen Sommernacht, der durch das weit geöffnete Dachfenster blinzelt. Sommer, Sterne und schlafende Kinder, eine zauberhaft anrührende Kombination. Wer hat sich so etwas Schönes nur ausgedacht? Ich denke an meine Kindheit und an den Sommer, an diese grenzenlose Freiheit. Als würde sich alles um einen herum ein kleines Stückchen ausdehnen und weiter werden. Dieses universale Gefühl mit jedem und allem verbunden zu sein hat sich als unerschütterliches Urvertrauen in mir festgesetzt. Alles ist gut, alles wird gut. Die Sommer bei uns bestanden in meiner Erinnerung immer aus blauen Himmel und Sonnenschein. Das es höchstwahrscheinlich auch mindestens genauso viel Regentage gab, habe ich ausgeblendet. Die paar wenigen an die ich mich erinnere, waren im Grunde nur eine Vorbereitung zur nächsten Hitzewelle. Der Arzbacher Hof und der Alpencampingplatz waren ein internationaler Treffpunkt und Austauschplatz für uns Kinder. Das wir verschiedene Sprachen gesprochen haben hat uns nicht gestört, weil wir auf einer ganz anderen Ebene kommunizierten. Wir sind morgens mit den ersten Sonnenstrahlen aufgewacht und zum Spielen nach draußen. Kurz vorm Dunkelwerden sind wir dann alle wieder nach Hause, um in unsere Betten zu fallen, todmüde, aber glücklich. Im Grunde eine Art Wanderzirkus, mit festem Standpunkt. Wir waren wie Reisende, die doch immer am selben Ort blieben. Die Geschichten und Abenteuer die wir mit unseren “Weggefährten” teilen durften waren kostbare Souvenirs aus den unterschiedlichsten Ländern, die wir sorgfältig in unserem imaginären Schrein stellten, um sie immer mit uns zu tragen. Jetzt beinahe fünfundzwanzig Jahre später, lebe ich immer noch an diesem kleinen Ort, der mir soviel bedeutet. Ich bin unendlich dankbar, daß unsere Kinder nun das Gleiche erleben dürfen. Ich sehe ihre Augen funkeln, wild, lebendig und so hungrig auf das Leben wie wir damals. Ich bin überzeugt, alles was wir im Moment für sie tun können ist ihnen diese Freiheit zu gewähren, die ich damals erfahren habe. Sie möglichst lange auf zu lassen, um jede Sekunde zu genießen. Um Glühwürmchen zu suchen, Walderdbeeren zu sammeln, Wassermelonen und Eis zu essen bis man Bauchweh bekommt.

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Das Bewußtsein, daß wir nicht alleine auf dieser Welt sind und das es noch so viele andere Menschen gibt. Vor Kurzem ist mir zufällig das beeindruckende Buch von Catharina Rust “Das Mädchen vom Amazonas” in die Hände gefallen. Eines der Bücher die man in einem Zug ausliest. Als Kind lebte sie in Mashipurimo, einem Urwalddorf am Amazonas. Während ihre Eltern, beide Deutsche, die Lebensweise der Aparai-Wajana-Indianer erforschten, wuchs sie wie eine Indianerin auf – fernab westlichen Komforts, doch aufgehoben in der Gemeinschaft eines Stammes. Vielleicht ist der Vergleich weit her geholt, aber ein bißchen erinnert mich ihre Geschichte auch an meine Kindheit in Arzbach. Das Indinanerspielen im Arzbach, die Lianen und Hütten die wir uns aus Seilen und Holz gebaut haben und das Empfinden, daß wir wertvoll sind und uns genügen. Wenn es notwendig wäre, hätten wir aber auch die Kraft die Welt zu retten. Ich wünsche dir, daß du darauf vertrauen kannst, daß unsere Erde ein guter Ort ist. Und du dich überall zu Hause fühlst, weil Heimat ein Gefühl ist, das in dir ist. Ich wünsche dir, daß das Kind von damals immer ein Teil von dir bleibt. Mögen alle Kinder ihren Platz im Leben finden, an dem sie sich zu Hause fühlen und den Raum & die Nähe die sie brauchen, um Flügel und Wurzeln zur selben Zeit wachsen zu lassen.
Aus ganzem Herzen, M.

Titelbild und Bilder M.Linke/Juli2015

 

 

 

Vom mutig sein und tiefer schwimmen

Vom mutig sein und tiefer schwimmen

Um das Herz und den Verstand eines anderen Menschen zu verstehen, schaue nicht darauf, was er erreicht hat, sondern wonach er sich sehnt. Diesen Spruch von Khalil Gibran, habe ich irgendwann, irgendwo einmal gelesen und er hat mich so berührt, daß er mich seitdem begleitet. Deswegen frage ich jetzt dich, wonach sehnst du dich?  Damit meine ich nicht die großen Werte wie Liebe, Glück, Gesundheit…die uns allen einheitlich wichtig sind. Sondern wofür kannst du dich begeistern? Wo liegen deine Stärken? Welche Musik liebst du? Welche Art von Büchern liest du? Welcher Film hat dich bewegt? In welche Länder möchtest du reisen und an welche Orte kehrst du immer wieder zurück? Wenn alle Umstände passen würden, wo würdest du dann leben? Wäre es genau hier, wo du jetzt bist oder träumst du von einer Bambushütte in der Südsee? Wer soll dann bei dir sein, für wen schlägt dein Herz und was würdest du dir wünschen, wenn du drei Wünsche frei hättest? Wenn du mir diese Fragen beantwortest, könnte ich dich wirklich sehen. Zumindest einen Teil von dir, den dafür echt und in Farbe. Ein Lebenslauf ohne eine Anreihung von Zahlen und Zertifikaten. Stell dir zum Beispiel ein Bewerbungsgespräch vor, bei dem es nicht darum geht, sich in einem möglichst guten Licht darzustellen, sondern einfach darum heraus zu finden, wer du bist. Die Frage ist doch, ob Arbeitnehmer und Arbeitgeber zwischenmenschlich gut zusammen passen, ob sie die gleichen Lebensziele verfolgen, sich ergänzen und gemeinsam weiterentwickeln können. Zugegeben wäre das ein sehr idealistischer Zustand, aber ich glaube es wäre möglich. So frage ich oft in einem Bewerbungsgespräch, warum möchtest du bei uns arbeiten? Viel aussagekräftiger als irgendein Zeugnis von dir ist doch, wo liegt deine Leidenschaft und wofür “brennst” du? Wo stehst du gerade, wo willst du hin? Unseren Kindern erzähle ich oft meine Geschichte von dem kleinen, bunten Fisch der an der Oberfläche des Meeres schwimmt und unendlich traurig ist über die Tatsache, daß er keinen Freund findet, der so ist wie er. Eine ganze Weile geht das so, bis er irgendwann seinen ganzen Mut zusammen nimmt und in das unbekannte Tiefe schwimmt. Je tiefer er schwimmt, um so mehr Fische erkennt er die ihm ähnlich sehen. Sein Herz klopft immer lauter und er ist so aufgeregt, daß er übermutig noch weiter nach unten schwimmt. Als er ganz unten am Grund ankommt, traut er seinen Augen kaum. Ein ganzer Schwarm bunter Fische die genauso sind wie er! In den schillernsten Farben schwimmen sie an ihm vorbei, so etwas Schönes hat er zuvor noch nie gesehen. Komm mit uns mit, kleiner Fisch, wir sind deine Familie, ruft ihm einer der Fische aus dem Schwarm freundlich zu. Den kleinen Fisch kullern viele kleine Fischtränen über die dicken Fischbacken, denn zum ersten Mal in seinem Leben weiß er was es heißt richtig glücklich zu sein. Ich wünsche Dir, den Mut des kleinen Fisches, tiefer zu schwimmen, um heraus zu finden wer du bist. Ich wünsche dir, daß du Menschen begegnest, die dich verstehen und dich erkennen. Ich wünsche dir, daß du glücklich bist, weil du du bist. Aus ganzem Herzen, M.
Bild/ M.Linke Mallorca 2010

Das Lied zum Text

Wish you were here ( Pink Floyd)

So, so you think you can tell
Heaven from Hell
Blue skies from pain
Can you tell a green field
From a cold steel rail?
A smile from a veil?
Do you think you can tell?Did they get you to trade
Your heroes for ghosts?
Hot ashes for trees?
Hot air for a cool breeze?
Cold comfort for change?
And did you exchange
A walk on part in a war
For a lead role in a cage?How I wish, how I wish you were here
We’re just two lost souls
Swimming in a fish bowl
Year after year
Running over the same old ground
What have we found?
The same old fears
Wish you were here

Über das Losgehen und das Ankommen

Über das Losgehen und das Ankommen

Wenn jemand mit vollbepackten Rucksack je nach Wetterlage durchnässt oder verschwitzt bei uns an der Campingrezeption steht, sich nach einen Zeltstellplatz für eine Nacht und dem besten Weg zur Tutzinger Hütte erkundigt, dann ist es ziemlich wahrscheinlich, dass es sich um einen “Venedigwanderer” handelt. Vom Arzbacher Hof aus ist die Tutzinger Hütte in ungefähr 4 Stunden zu erreichen und so ist der Alpencampingplatz besonders die letzten Jahre zu einer beliebten letzten Übernachtungsmöglichkeit vor dem Einstieg in das Voralpengebirge geworden. Mich hat die Strecke auch seit jeher fasziniert. Die magische Landschaft der Alpen bis übers Karwendel, den Dolomiten und am Ende der bestimmt mühsame, lange Weg der Piave Ebene entlang und die große Freude, wenn man endlich das Meer sehen kann. Ich stelle mir vor, wie es sich anfühlt nach 4-5 Wochen (wenn man keine größeren Pausen oder längere Aufenthalte plant) bei einem herzhaften Teller Pasta und gutem Wein auf dem Markusplatz in der Sonne zu sitzen und zu wissen man ist endlich angekommen. Die Eindrücke und die Erlebnisse die man auf dem Weg haben durfte und die man im besten Fall in angenehmer Gesellschaft teilen darf. Definitiv ein gutes Gefühl.

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Mit Leni und Tommy in Venedig / Juni 2012

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Heute erst sind wieder ein paar der Wanderer aufgebrochen. Eine junge Frau, die alleine unterwegs war und ein flottes Ehepaar anfangs sechzig. Wir kamen kurz ins Gespräch und sie schwärmten von ihrer geplanten Reise von München nach Venedig und davon, dass sie sich einen langersehnten Traum erfüllen. Sie wollten solange warten bis sie beide in Rente sind, um sich dann soviel Zeit nehmen zu können wie sie eben brauchen. Bis Mitte September möchten sie unterwegs sein. Ich gebe noch ein paar Tipps für den Aufstieg und mache mir Gedanken, da sie erst um circa 9 Uhr aufbrechen und es um diese Zeit bereits 30 Grad Außentemperatur bei uns hat. Nur zu gut weiß ich wie heiß es auf dem Weg zur Benediktenwand im Sommer werden kann. Beinahe unerträglich heiß. In der Probstwand gibt es auch keinen Baum unter dem man sich einmal kurz stellen könnte. Ich frage mich, ob sie gut angekommen sind und nur zu gerne würde ich ihre Geschichten hören, die sie unterwegs noch erleben werden. Ich denke an früher, wie oft ich die Benediktenwand raufgekraxelt bin und das es jedes Mal anders war. Der Sonnenaufgang am Gipfelkreuz. Die Steinböcke die sich unbeeindruckt mitten auf den Weg ausruhen. Ein plötzlicher Regenschauer. Hitze. Schnee. Blumenwiesen. Die letzten Jahre bin ich nie wieder dort gewesen, auch wenn ich es mir so oft vorgenommen habe. Irgendwann werde ich einfach einmal wieder losgehen. Das hier ist mein allererster Eintrag in meinen eigenen Blog und es ist auch ein bisschen so, wie endlich losgehen. Weil darum geht es doch. Wenn es an der Zeit ist, einfach JETZT los zu gehen. Ich schließe meine Augen und kann ein Ziel vor mir sehen. Ich weiß noch nicht genau wie es aussieht, weil ich ja noch nie da gewesen bin. Aber ich weiß, wie es sich anfühlt auf dem Weg zu sein und anzukommen. Definitiv ein gutes Gefühl. Ich wünsche dir, dass du los gehen kannst und ich wünsche dir das Gefühl zu wissen, wann der richtige Zeitpunkt dafür ist…

aus ganzem Herzen M.

www.muenchenvenedig.de

Bild T.Linke