Es gibt Freunde, die wir schon so lange kennen, daß wir uns nicht mehr richtig erinnern können, wann wir uns überhaupt zum ersten Mal begegnet sind. Sie waren einfach immer schon da. Gemeinsam sind wir im Kindergarten durch Matschpfützen gesprungen, sind von viel zu hohen Bäumen gefallen und hatten Glück, daß uns nichts passiert ist und daß wir uns hatten. Denn dadurch blieben wir mutig und versuchten es hinterher gleich noch einmal. Die Bäume und wir wuchsen so einfach immer weiter dem Himmel entgegen. Kannst du dich erinnern, wie wir Hand in Hand durch die Dämmerung gelaufen sind, wenn wir beim Spielen wieder einmal die Zeit vergessen hatten? Unsere Knie zitterten vor Angst, weil uns irgendwer einmal die Geschichte von den streunenden Wölfen erzählt hatte, die nachts aus ihren Verstecken hervor krochen, um kleine Kinder zu fressen. (früher erzählte man Kindern so was). Später als wir dann zur Schule gingen, telefonierten wir stundenlang, nur um uns später doch noch zu treffen. Wir bauten Stinkbomben aus Tinte und blauer Kreide und stellten fest, daß sie gar nicht funktionierten. Eier langsam unterm Tageslichtprojektor verfaulen lassen klappte da wesentlich besser. Hausaufgaben waren Nebensachen, wir lebten ein Leben wie Ronja Räubertöchter und Pippi Langstrumpf (nur mit Eltern) das nicht glücklicher und aufregender hätte sein können. Wir waren wirklich frei und mein Gott, die Welt lag uns buchstäblich zu Füßen.
Wir mußten nur unsere Hände ausstrecken und nach ihr greifen, so wie nach den süßen Walderdbeeren, die überall am Wegesrand in großer Fülle an Sträucher hingen. Wir züchteten Urzeitkrebse aus den YPS-Heften, sammelten Fußballbilder von Hanuta und tauschten in der Pause Sticker statt Handynummern. Wir durften langsam herausfinden wer wir sind, denn wir hatten ja noch ewig Zeit. Wir mußten nichts entscheiden, höchstens zwischen den drei Fernsehprogrammen, die eh nur wirklich interessant waren, wenn Bud Spencer seine Fäuste schwang oder Lucky Luke zusammen mit Jolly Jumper in den Sonnenuntergang ritt. Ob früher alles besser war? Ich weiß es nicht. Kennst du noch diese schrecklich langweiligen Phasen, wenn einen einfach nichts einfiel was man hätte tun können? Wenn es in den Sommerferien wie aus Eimern schüttete oder das BMX-Rad wieder einmal einen Platten hatte. Aber genau aus der puren Langweile heraus sind uns dann die allerbesten Ideen in den Sinn gekommen. Und das Wichtigste: Wir hatten echte Freunde. Keine virtuellen, nein welche aus Fleisch und Blut. Welche denen oft genauso wie uns die Decke auf den Kopf fiel und die sich auch so sehr nach ein bißchen Abwechslung und der großen, weiten Welt sehnten. Nicht selten waren wir auch noch Blutsbrüder, mit Nadel und richtigem Schwur und so. Das verbindet unfassbar. Und dann…wurden wir alle erwachsen und merkten auf einmal ganz schnell, daß wir uns nicht wie in der Werbung versprochen (wohl gemerkt drei Programme)in Rockstars verwandelten, nur weil man den Strohhalm der Caprisonne verkehrt einsteckte. Das Gefühl, wir könnten die Welt erobern, wurde mit jedem neuen Tag ein kleines bißchen leiser, bis es kurz davor war ganz zu verstummen. Irgendwann wurde uns beigebracht, wir sollten nicht mehr so kindisch sei. Der Ernst des Lebens wartete jetzt vor der Haustüre auf uns, an der kurz vorher noch der wilde Westen anfing und mahnte wie Witwe Bolte in Struwwelpeter mit erhobenen Zeigefinger zur Ernsthaftigkeit. Somit verdarb er uns auch noch das letzten Quentchen Spaß. Erwachsen werden bedeutete auf einmal auch, daß wir anfingen nur noch dann zu lachen, wenn wir dachten das es passte und nicht, weil es eine natürliche Reaktion war auf die reine Freude am Leben. Wir versuchten uns selbst zu finden und merkten doch gar nicht, daß wir gerade dabei waren uns aus den Augen zu verlieren. So wie Tim Thaler mit jedem verschenktem Lachen ein Stückchen mehr. Wir lernten alle echte Berufe und man konnte von uns sagen, es ist etwas aus uns geworden. Nicht Pirat, Indianer oder Astronaut, aber immerhin. Beinahe hätten wir unsere Helden vergessen, würde unser inneres Kind nicht manches Mal so laut in uns schreien, daß es unmöglich zu überhören ist. Das sind die kostbaren Augenblicke in denen sich große Männer beim Autoscooter zurück in die kleinen Jungs von damals verwandeln oder die gestandene Business-Lady aus reiner Euphorie & Rührung für ihre Nichte versehentlich die ganze Barbie Traumhaus Kollektion inklusive Sportswagen kauft.
Unsere Träume sollten wir bei uns behalten, sie stolz und leuchtend vor uns hertragen wie die selbstgebastelte Laterne vom St. Martins-Umzug. Laßt uns stolz darauf sein, auf das was und wer wir sind! Wir alle sind einzigartig. Jeder für sich. Laßt uns stolz auf unsere Kinder sein! Nicht nur auf die Talente und erworbenen Fähigkeiten die uns in unserer Gesellschaft vermeintlich von Nutzen sind. Wer sagt denn, daß es kein Talent ist am längsten unter Wasser die Luft anzuhalten oder Weltmeister im Kaugummiblasen machen zu sein?
Wir sollten viel öfters einfach nur Zeit miteinander verbringen, ohne Ziel, ohne das was dabei herauskommen muß, einfach nur so. Komm laßt uns spinnen, träumen, tanzen, uns wertschätzen…laß uns die sein, die wir immer sein wollten und die, die wir seit jeher schon immer waren.
Aus ganzem Herzen, M.
Und wer war der Held in deiner Kindheit? Was war dein Traum vom guten Leben?
Foto’s Lucky Luke Foto:ORF/ Linke M.
Titlebild Linke M.
Mit deinem wunderschönen Worten sprichst/schreibst du mir aus dem Herzen.
Ich habe es nie wirklich aufgegen wie Pipi Langstrumpf zu sein und trotze so gut es geht, den von der Gesellschaft auferlegten Normen, auch wenn es nicht immer einfach ist.
viele liebe Grüße
Rebecca
Liebe Rebecca, danke aus ganzem Herzen für deinen Kommentar. Freut mich sehr! Ich wünsche dir, daß in deinem Leben und in deinem Herzen immer genug Platz bleibt für Pipi. Habe mir gerade deinen Blog angeschaut. Freut mich sehr, daß du mich gefunden hast und ich so jetzt auch deinen Blog. Ich finde ihn ganz wunderbar und werde sicher öfters bei dir vorbei schauen. Tausend gute Grüße zu dir!
Schön hast Du das wieder geschrieben, liebe Michaela. So einfühlsam wie alle Deine Texte in dem Blog, den ich jetzt erst entdeckt habe.
Immer ein großer Junge zu bleiben, das war lange mein Traum. Bei allem Stress, bei aller Arbeit die kindliche Neugierde zu behalten, aber auch die kindliche Freude, mal ganz abzutauchen und nicht im Hamsterrad des Heute schon immer gleich an das Morgen denken zu müssen. Gelungen ist es mir nicht wirklich.
Am Ostersamstag habe ich nun meinen letzten Arbeitstag. Es folgt der (Un-)Ruhestand. Und vielleicht wird jetzt aus dem alten Jungen (Baujahr 1956) wieder ein großer Junge. Ich werde dran arbeiten.
Bis bald im Isarwinkel, Ulli und ich freuen uns schon. Auf Euch, die Natur, auf ne Haxn, mehrere dunkle Biere und und und. Mein Herz hüpft schon, wenn ich’s nur schreibe!
Liebe Grüße aus Berlin
Sebastian
Lieber Sebastian! Mei, das freut mich ganz besonders, dass du hier auf meinem Blog gelandet bist! Danke aus ganzem Herzen für deine guten Worte…ich mußte hin und wieder mit einem Schmunuzeln an euch denken und sehe unserem Wiedersehen in ungebremster Vorfreude entgegen! Ganz liebe Grüße an deine liebe Frau in die Hauptstadt und bis bald in Arzbach.
Ein toller Text!
Deinen Kommentar jetzt erst entdeckt! Ich danke dir sehr Dieter!
Du hast die 80ger Jahre so gut beschreiben Michaela. Ich musste schmunzeln und war gleichzeitig zu Tränen grührt. Das ist eine Gabe so zu schreiben! Viele Grüße von Marianne und Sepp
So schee gschriem
Marianne und Sepp, vielen, vielen Dank! Euer Kommentar bedeutet mir sehr viel!
Liebe Lola, danke aus ganzem Herzen ♥